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Verlorene Worte und ihre Gesandten

Der Wandel der Zeiten macht vor der Sprache nicht halt,

Und jeder gebührliche Bürger folgt ihm.

Was einst Eingedeutschtes aus dem Französischen und Lateinischen war,

Tritt heutzutage oftmals auf in Anglizismen Gestalt.

Jeder Hagestolz ist Single like a Pringle,

Jede ungefreite Maid solo.


Kein Haderlump auf Vagabondage,

Macht noch Fisimatenten. Ob direktgesprochen oder in Camouflage,

Er macht höchstens die Maus zum Elefanten.

Meinen Großeltern wurde noch öfter blümerant,

Meinen Freunden eher kotzübel.

Man trinkt auch seine Lorke,

Höchstens noch im Karohemd, mit Blick auf seine Forke.

Und wer kennt noch einen ach so unfeinen Bengel,

Der wörtlich spricht von seinem „Schwengel“?


Auch ich, an meinen saumseligen Tagen,

Wage mich in der Kommunikation mit anderen kaum an solche archaischen Worte heranzuwagen.

Dann mache ich es mir bequem, ja kommod, im Gedränge der verbalen Menge.

Gebe Sachen von mir wie cool und nice, den Tag zu kommentieren.

Bis ich mich zum Schreiben von diesen Fesseln reiß.

Dann fasel ich allein für mich, im Monolog schwadronierend.

Und bringe alles auf die Tastatur, wortjonglierend und ausprobierend.

Doch die Fragen, die über allem hängen, bleiben bestehen: „Wird der Mono irgendwann zum Dialog? Ein Leser sich meiner Erbarmen? Ein Gleichgesinnter in Gedanken, meine Wortwahlen umarmen?“

Kein Gelegenheitsschreiberling weiß das oder könnt es erahnen,

Aber jeder, der sagt Kokolores statt Schwachsinn,

Der geschleckig ist statt schlicht verfressen,

Bringt ein Schimmern Hoffnung.

Aus dem vae victis, den verlorenen Worten,

Wird geschwind eine Prognose von anderen Sorten,

Wenn man versteht, dass es für viele ist noch nicht zu spät.

Für viele Schönheiten der deutschen Sprache, die bereits lagen auf ihrer Totenbahre,

Und zurückkehrten in das tägliche Leben… Oder sind zumindest in manchem Jargon zugegen.

Ist man maskulin und stellt sich recht honett an, wird man schnell zum Ehrenmann.

Da reicht es schon herbeizueilen, und mit Hunger leidenden Freunden eine Pizza zu teilen.

Und im Kontrast zu den Zeiten, als dieses Wort zuletzt im Sprachgebrauch zugegen,

Braucht man heutzutage zur Verteidigung dieses Titels weder Duell noch Degen.


Da sieht man, dass Hopfen und Malz noch nicht verloren,

Und auch wenn sich die Sprache wandelt, es sich dabei großteils noch um dieselbe handelt.

Und lasst uns nicht vergessen, dass Sprache nicht einfach verschwindet,

Sondern sich vielmehr Tag um Tag, durch ihre Nutzer neu erfindet.


Lasst uns also annehmen, Wortkunstfreunde, Geistesverwandte,

Den Posten als der verlorenen Worte Gesandten.

Und wenn es wird, das nächste Mal im freien dunkel,

Blicken wir gemeinsam staunend empor, ins Nachtgefunkel.


(Merali König, Q12)





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